Milica Petrovic: „Wenn Stille tötet“ – Schicksal der Tiere in der Flut auf dem Balkan

Der Balkan hat ein Herz für Tiere

„Es war um 03.00 Uhr morgens, ich konnte nicht schlafen. Ich hatte all die Zeit Bilder im Kopf von Tieren, die in der Flut ertrinken“ erzählt mir Milica Petrovic aus Belgrad. Sie bezieht sich auf die schreckliche Flut auf dem Balkan. „Damit es mir besser ging, beschloss ich, mir alles von der Seele zu schreiben, was ich auch tat – unter Tränen.“ So entstand eine ergreifende Geschichte mit dem Titel „Wenn Stille tötet“, die sie im Netz veröffentlichte und welche sich rasend weltweit verbreitete. Dank ihrer Geschichte wird die Welt animiert, an die Tiere in Not zu denken und sie zu retten.

Milica liebt Tiere. Sie selbst hat zwei Katzen. Ihren Hund, der 2003 verstarb, kann sie nicht vergessen. Sie ist seit langem im Kontakt mit Tierorganisationen über Social Media in Facebook und tauscht sich mit ihnen aus. So erfährt sie auch über das Schicksal der Tiere, die von der Flut betroffen waren. „Die Tierhalter erzählten, dass die Rettungstrupps nicht ihre geliebten Haustiere mitretten wollten. Es waren meist große Hunde. Sie mussten entweder ihre geliebten Vierbeiner zurücklassen oder sie blieben mit ihnen zusammen zurück und teilten sich gemeinsam ihr Schicksal. Auch passierte es, dass gerettete Tiere vor Angst aus den Booten sprangen und so vor den Augen ihrer erschrockenen Besitzer ertranken. Traurig sind die Schicksale der Tiere, die bewusst angekettet zurückgelassen wurden und so kläglich den Fluten überlassen wurden, ohne die Chance zu haben, sich selbst zu retten. „So beschloss ich, über einen Retriever zu schreiben. Der Titel „wenn Stille tötet“ bezieht sich auf die Stadt Obrenovac, in der eine unheimliche Ruhe herrschte, nachdem sie evakuiert wurde.“ Viele meinten, dass es sich um eine wahre Geschichte handelt. Menschen schrieben ihr, waren traurig, weinten. So wurde der Hund aus ihrer Geschichte ein Symbol für all die Hunde, die der Flut in Serbien und Nachbarländern zu Opfer fielen.

„Ich wollte nie berühmt werden. Ich wollte den Menschen nur klarmachen, welches Schicksal ihre Lieblinge erwartet, wenn sie sie zurücklassen. Sie sollten wissen, dass Hunde genauso fühlen wie wir Menschen: Angst, Wut, Liebe, Hilflosigkeit.“

Mit dieser Veröffentlichung im Netz hat sie eine Welle des Umdenkens erschaffen. Über 500 Freundesanfragen mehr auf Facebook und in der Inbox waren unzähligen Nachrichten. Einige schrieben ihr, dass sie nach dem Lesen ihrer Geschichte umso mehr ihre Vierbeiner umarmten und küssten. Wer den Text liest, wird verstehen warum.

Wenn Stille tötet – die Geschichte eines Hundes

Was bin ich doch für ein glücklicher Hund! Ich habe ein wunderschönes Haus mit einem wunderschönen Vorhof. Ich habe Besitzer, die mich lieben so wie ich sie. Ich würde alles für sie geben. Ich würde mein leben opfern, nur damit es ihnen gut geht. Es sind so wundervolle Menschen: Mama Slavka, Papa Dura und ihre wundervolle Tochter Ana. Sie ist so ein wundervolles Mädchen. Mama meinte, sie wäre gestern drei Jahre alt geworden. Sie wächst so langsam. Wir Hunde wachsen viel schneller in drei Jahren.

Sie nennen mich Cupko und bin ein Retriever-Mischling… Auch ich bin drei Jahre alt, bin aber erwachsener als Ana. Mama Slavka und Papa Dura haben mich in einem Container gefunden, als ich sehr klein war. Ich habe keine Ahnung, was das ist, aber laut Erzählungen ist es wohl ein schrecklicher Ort. Als man mich dort fand, war ich verdreckt, zerzaust und ich stank. Daher bekam ich den Namen Cupko (übers. „Der Zerzauste“).

Als sie mich zu sich nach Hause mit wunderschönen Vorhof und Garten brachten, hatte sie schon die kleine Ana. Sie war allerdings sehr klein und war eingewickelt in weisse Tücher. Ich habe sie so lieb gewonnen. Wir sind zusammen groß geworden…wobei sie hinterher hinkt, aber das macht nix. Ich liebe sie!

Ich liebe auch unser Haus, es ist so wundervoll. Es gibt immer was zu essen und ich habe ein wundervolles Bett im Wohnzimmer.

Wartet, ich muss das mal hören! Entschuldigt, dass ich meine Erzählung unterbreche!

Mama und Papa hören diesem großen Apparat zu, in dem Menschen reden.

Sie sind sehr erschrocken! Was passiert gerade?

Ich bin zu ihnen gerannt, habe mit meinem Schwanz gewedelt, um sie aufzumuntern. Aber sie schoben mich sanft zur Seite und sagte: „Nicht jetzt Cupko.“

Vielleicht sind sie sauer, weil schon zwei Tage lang regnet und wenn ich raus laufe, Dreck ins Haus bringe? Bei, das kann es nicht sein, sie schauen durchs Fenster, verlassen das Haus und kommen wieder rein, sie sind ängstlich! Was passiert gerade? Ich will helfen!

Sie suchen nach Sachen im Haus, sie ziehen Kleidung über, sie ziehen auch Ana an…

Sie rufen mich, dass ich mit denen in den ersten Stock gehe, vielleicht kann ich ja doch helfen.

Ich laufe die Treppen hinauf und höre ein Geräusch hinter mir… ich drehe mich um… woher stammt das Wasser im Haus?

Nun sind wir im oberen Stockwerk, Mama telefoniert, Ana fängt an zu weinen…

Das hier ist wohl was Ernstes! Ich glaube, dass das Wasser, das ins Haus eindringt, das Problem ist.

Mama steht auf de Terrasse und wartet auf etwas. Papa hält Ana im Arm und tröstet sie, dass alles in Ordnung sein wird.

Mama ruft nach uns, dass wir auf die Terrasse kommen sollen. Ich folge ihnen.

Ein Boot mit Menschen steht neben dem Fenster. Mein Gott, da ist so viel Wasser! Befinden wir uns nicht auf dem oberen Stockwerk?

Ich höre die Menschen im Boot sagen: „Alle müssen Obrenovac verlassen, er aber nicht, so ist die Vorschrift.“

Ich höre es, Mama schreit: „Ich bitte Euch, nein, ich flehe Euch an, nimmt ihn auch mit! Ich weiss, wir haben einen großen Hund, geliebt von uns und unserem Kind… Ich bitte Euch!“ Sie fängt an zu weinen… Ana fängt an zu schreien, Papa verrucht, die Situation zu beruhigen und sagt zu den Menschen:

„OK, wenn wir ihn nicht mitnehmen dürfen, dann werden wir auch nicht gehen… nehmt nur das Kind mit.“

Was???

Ich renne zum Papa, berühre ihm mit meiner Pfote, er beugt sich zu mir runter… und ich sehe eine Träne in seinen Augen. Ich habe alles verstanden!

Ich fixiere den Papa mit meinen Augen und sage zu ihm mit meinen Blicken: „Geht, ich bitte Euch darum, geht, Anna braucht Euch, ich bitte Euch, ich will, dass Ihr geht! Macht Euch keine Sorgen um mich. Ich werde bleiben, ich werde schwimmen, ich werde versuchen, mich zu retten, aber Ihr seid wichtig für unsere Ana!!! Ich schob sie mit meiner Schnauze Richtung Boot. Sie haben verstanden!

Tränen liefen ihnen über die Wangen.

Ich weiss, auch ich liebe Euch. Ich liebe Euch deshalb wünsche ich, dass Ihr geht! Macht Euch keine Sorgen um mich. Ich werde glücklich sein, wenn ich weiss, dass es Euch gut gehen wird.

Sie stiegen alle ins Boot. Ich blieb auf der Terrasse.

Das Geräusch vom Motorboot entfernte sich.

Uhhh, es ist still! Ich höre nur meinen Atem.

Uhhh, meine Pfoten sind schon im Wasser… ich werde noch ein bisschen warten… was soll ich machen?

Ich gehe mal was essen, sie haben mir Futter im Zimmer gelassen. Ich gehe es mal essen, bevor das Wasser es erreicht.

Ich esse, aber es taugt mir irgendwie nicht…

Uhhhh, jetzt steht das Wasser schon im Zimmer, mir bis zum Bauch.

Bringt nichts, ich werde noch etwas warten, aber ich muss mich vorbereiten, irgendwo hinschwimmen. Natürlich werde ich über die Terrasse herausgehen, sie steht ja offen.

Ich fange an zu schwimmen. Ich gehe!

Uhhhh, ich schwimme und schwimme, wer weiß, wie lange schon, aber ich sehe nirgendwo was festes, wo ich mich ins trockene retten kann, um mich herum sehe ich nur Wasser…

Mir ist kalt… auuuuu, es ist wirklich kalt… meine Pfoten fühlen sich steif an… ich glaube, ich werde es nicht schaffen… wichtig ist, dass Mama, Papa und Ana in Sicherheit sind… ufff, das ist das wichtigste…

Gott, was für eine Stille… und es ist dunkel, ich sehe nichts… ich bewege mich nicht mehr… ich kann nicht…

Ana, Slavka, Duro – ich bin so glücklich, dass es Euch gut geht. Ihr wart so wundervoll, ich danke Euch für alles. Ich hoffe, dass ich Eurer Gutmütigkeit mir gegenüber gerecht wurde, als ihr mich gerettet habt… jetzt hatte ich die Möglichkeit, mich zu revanchieren… Es liebt Euch Euer Cupko!!!

Dennoch denke ich, dass mich diese Stille getötet hat! Ich liebe Euch!

Milica Petrovic: "Wenn Stille tötet" - Schicksal der Tiere in der Flut auf dem Balkan 1

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